Zum dritten Mal in diesem Jahr bin ich nach Bilbao geflogen, um im Norden Spaniens Daten für meine Dissertation zum Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum auf der Iberischen Halbinsel zu sammeln. Im Gegensatz jedoch zu den letzten beiden Aufenthalten habe ich den Flughafen dieses Mal in Richtung Westen, nämlich nach Santander (Kantabrien) verlassen, um dort technologische Untersuchungen an Steinartefakten (Kernen, Klingen und Lamellen) des Châtelperronien sowie des Aurignacien aus der Cueva Morín durchzuführen. An dieser Stelle ein kleiner Tipp, sollten Sie einmal in den Genuss kommen, ins Baskenland zu reisen (und selbiges ist wirklich mehr als eine Reise wert!!!!): Nehmen Sie auf jeden Fall Ihren Regenschirm mit – diese Region zählt zu den regenreichsten Europas.
Mir war der Wettergott im Vergleich zu den letzten beiden Reisen dieses Mal wohlgesonnen und ich hatte lediglich an drei Tagen mit Regen (jedoch mit sehr, sehr viel) und Sturm zu kämpfen. Ja, Sie haben recht, ich war natürlich nicht zum Sonnenbaden dort, sondern zum Arbeiten. Aber auch der Weg zum Arbeitsplatz mit voller Ausrüstung (Computer- und Fotoequipment) kann bei nicht nachlassendem Regen zum schier unüberwindbaren Hindernis werden. Mein Arbeitsplatz war die neu eingerichtete Forschungsstelle mit dazugehörigem kleinem Museum (MUPAC – Museo de Prehistoria y Arqueología de Cantabria) in der Avenida los Castros 65-67, ganz in der Nähe der Universität. Dort hatte ich an insgesamt 9 Tagen Zeit, archäologisches Material zu sichten und zu untersuchen. Mit der Untersuchung von archäologischem Material in Museen, das bereits vor langer Zeit dem Boden entnommen wurde, ist es wie mit der archäologischen Ausgrabung selbst: man weiß nie genau, was einen beim Öffnen der Kartons und Kisten respektive des Bodens erwartet. Für mich hatte das sehr nette und hilfsbereite Team des MUPAC zunächst Kisten der Schicht 7 (Frühes Aurignacien) bereitgestellt und mir so die Beantwortung der Frage abgenommen, mit welcher Schicht ich denn nun anfangen solle.
Schicht 7 bildet die jüngste der für meine Fragestellung interessanten. Auf der Suche nach den Kernen, also den Restprodukten der Steingeräteherstellung, und den Klingen und Lamellen, den im Jungpaläolithikum bevorzugt hergestellten Produkten, arbeitete ich mich durch zahlreiche Kartons, die zum Teil seit Jahrzehnten nicht geöffnet worden waren und auch nicht immer das hielten, was die aufgeklebten Etiketten versprachen. Dementsprechend füllte sich die Datenbank auch eher langsam und ich bin mit einem Potpourri verschiedenster Samples unterschiedlicher Schichten nach Deutschland zurückgekehrt. Von besagter Schicht 7 habe ich alle registrierten Fundkartons gesichtet – leider hatte ich bis zum Ende des Forschungsaufenthaltes jedoch nur sehr wenige Lamellen, also kleine, langschmale Steingeräte dieser Schicht finden können. Im Gegensatz dazu aber zahlreiche Lamellenkerne, die die Herstellung dieser Produkte vor Ort bezeugen. Bleibt die Frage: Wo sind die Lamellen? Vielleicht noch im Boden? Immerhin wurden nur Teilbereiche der Höhle gegraben. Oder vielleicht in einem Karton, der noch unerkannt in den Tiefen des Depots schlummert? Es bleibt spannend und viel Arbeit wartet noch beim nächsten Forschungsaufenthalt. Dieser wird aber erst Anfang nächsten Jahres stattfinden. Jetzt gilt es erst einmal die gewonnenen Daten zu sichern und auszuwerten!
Herzlichen Dank an Adriana Chauvin und Ihr Team vom MUPAC!
Mit den besten Wünschen aus dem Neanderthal
Yvonne Tafelmaier