Live dabei: die Evolution unserer Online-Führungen

von Fiene Walker

von Beate Schneider

Seit unseren ersten Gehversuchen mit LIVE-ONLINE-FÜHRUNGEN – wir berichteten hier im Januar 2021-  stieg die Nachfrage an digitalen Angeboten rasant. Rund 300 digitale Führungen und Workshops wurden seitdem gebucht. Schulklassen interessierten sich für die LIVE-ONLINE-RUNDGÄNGE im Rahmen ihres Geschichts- oder Biologieunterrichts. Familien und Einzelbesucherinnen und Besucher nahmen mit Begeisterung an virtuellen Führungen durch die Sonder- und Dauerausstellung teil. Wiederholt betonten die Teilnehmenden ihre Begeisterung für dieses Angebot.  

[siehe auch Evaluation und Masterarbeit von Franziska Kerstin, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, an der Universität Paderborn]  

LIVE-ONLINE-FÜHRUNGEN – NACHHALTIG?

Erwartungsgemäß sank zunächst die Nachfrage nach digitalen Angeboten mit der Rücknahme der coronabedingten Schutzmaßnamen im April 2021. Die Menschen suchten nach der mehrwöchigen Isolation soziale Begegnungen und folgten ihrem Bedürfnis, die Ausstellung vor Ort und mit allen Sinnen zu erfahren. In den Sommermonaten Juni, Juli und August 21 wurden keine LIVE-ONLINE-FÜHRNGEN gebucht.

Dessen ungeachtet beschlossen wir, das digitale Format in unser permanentes Programmangebot zu überführen und die dafür erforderlichen Anpassungen der Programmabläufe vorzunehmen. Ab September zahlte sich dies aus. Die Nachfrage nach den LIVE-ONLINE-FÜHRUNGEN stieg wieder deutlich an. Schulklassen, die Programme vor Ort buchten, taten dies auch, weil sie wussten, dass sie gegebenenfalls bei erneuten pandemiebedingten Schutzmaßnahmen auf unsere digitalen Angebote umbuchen konnten.

Doch welchen Mehrwert sollten die virtuellen Führungen zukünftig gegenüber einer Führung vor Ort haben?

Pädagogin zeit in der DAuerausstellung einen Schädel
Eine der ersten digitalen Führungen im Neanderthal Museum – damals noch mit Maske

AN ZWEI ORTEN GLEICHZEITIG!

Zeitgleich an mehreren Orten: ein alter Menschheitstraum und mit dem Format der LIVE-ONLINE-FÜHURNG jetzt möglich! Eine Begegnung mit den Highlights zweier Museen? Eine unterhaltsame Erlebnis-Tour durch eine Ausgrabung, in eine Universitätssammlung und zu einer imposanten Ausstellung – begleitet von mehreren sachverständigen Guides? Die Idee eine TANDEM-TOUR war geboren. Interessierte Partnerschaften für das Projekt fanden wir bei unseren Kolleginnen und Kollegen von ice-age-europe, einem Netzwerk eiszeitlicher Fundstätten und Forschungszentren in Europa.

Eine der ersten Tandem-Führungen HIGHLIGHTS EISZEITLICHER KUNST UND LEBENSWEISE zeigte ausgewählte Objekte und Installationen des Urgeschichtlichen Museums in Blaubeuren und des Neanderthal Museums in Mettmann.

Beindruckende Einblicke erhielten Besuchende auch bei dem virtuellen Rundgang FROM CAVE TO CAVE: THE ICE AGE OF GERMANY; ITALY AND BRITAIN (hier der Trailer) durch die italienische Grotta di fumane, das britische Creswell Crags Museum und Heritage Center sowie das Neanderthal Museum. Weitere Tandem-Touren mit europäischen Partnern aus anderen archäologischen Fundstellen und Museen folgten.

…UND WAS HABEN COMPUTER UND STEINZEIT GEMEINSAM?

Die LIVE-ONLINE-FÜHRUNG VOM NEANDERTAL INS digiTAL – ONLINE DURCH DAS ANTHROPOZÄN entstand in Zusammenarbeit mit dem Heinz Nixorf MuseumsForum (HNF) und erschloss neue inhaltliche Möglichkeiten. Anregende Verbindungen zwischen früher Menschheitsgeschichte und moderner Robotik sowie lehrreiche Einblicke in zwei faszinierende Ausstellungen verspricht die Tour. So entstanden im Rahmen dieser LIVE-ONLINE-FÜHRUNG neue Partnerschaften und Möglichkeit zum wissenschaftlichen Dialog mit so unterschiedlichen Disziplinen, wie den Ingenieurs- und Computerwissenschaften, der Archäologie und der Anthropologie.

Vom Neandertal ins digitTal

WAS BLEIBT?

  • Die LIVE-ONLINE-FÜHRUNGEN halfen uns während des pandemiebedingten Lockdowns den Kontakt zu unseren Besucherinnen und Besuchern zu halten und unsere Reichweite zu vergrößern.
  • Das Format gefiel den Besucherinnen und Besuchern besser, als sie es selbst erwartet hätten. Durch die Möglichkeit zum Dialog und kleine aktivierende Aufgaben wurden sie positiv überrascht.
  • Nach Wiedereröffnung musste das Live-Online-Format neu gedacht werden. Um weiterhin gebucht zu werden, bedurfte es eines ansprechenden Alleinstellungsmerkmals in Abgrenzung zu den „Vor-Ort-Angeboten“.
  • Ein solches Alleinstellungsmerkmal bestand in der Möglichkeit, zwei Orten gleichzeitig zu besuchen. Die neue Kontextualisierung von Objekten und Installationen ermöglichte neue Narrative. Sie schuf einen Raum, in dem wissenschaftliche Erkenntnisse aus sehr unterschiedlichen Perspektiven und fachübergreifend diskutiert werden konnten.
  • In der Doppelmoderation zweier Guides lag ein großer Unterhaltungswert. Die Lebendigkeit durch Stimmenwechsel, die Dynamit durch die gegenseitige Ansprache war dabei von Vorteil.  Darüber hinaus bildete die Doppelmoderation die Vielfalt der fachspezifischen Forschung besser ab.
  • Durch die Kooperation entstanden neue Netzwerke, von denen die Partnerinstitutionen selbst, beispielsweise durch gemeinsame Marketingkampagnen, profitierten.

Die EVALUATION: „Zur digitalen Ausstellung bitte hier entlang!“

von Franziska Kersting

Mit diesem Motto stand Ende letzten Jahres der Titel meiner Masterarbeit fest. Am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, insbesondere Digitale Märkte von Prof. Dr. Dennis Kundisch an der Universität Paderborn, sollte damit eine empirische Arbeit über die Wahrnehmung kultureller Teilhabe unter digitalen Bedingungen entstehen. Als Privatperson und auch im universitären Kontext hatte ich bis dahin wenig Berührungspunkte mit kultureller Bildung und Museumsarbeit, sondern habe in meinem Wirtschaftsinformatik Master den Schwerpunkt im Bereich des Digitalisierungs- und Innovationsmanagements gesetzt. Diese beiden Themengebiete mögen auf den ersten Blick erst einmal weit voneinander entfernt liegen, aber, wie ich im weiteren Verlauf auch selber feststellte, haben Kultureinrichtungen nicht erst seit der Covid-19 Pandemie die Chancen der zunehmenden Digitalisierung erkannt und neue Formate auf den Weg gebracht.

Durch Vermittlung des Heinz Nixdorf MuseumsForums (HNF) wurde ich auf das Neanderthal Museum in Mettmann aufmerksam und nach einer kurzen Recherche war klar, dass hier die digitalen Führungen bereits erfolgreich etabliert worden waren und in vergleichsweiser großer Zahl durchgeführt wurden. Zu meinem großen Glück war nach einem kurzen ersten Gespräch mit Beate Schneider klar, dass das Museum mein Vorhaben unterstützen würde und ich damit meinen Praxispartner gefunden hatte.

Im Zeitraum von November 2021 bis Januar 2022 durfte ich daher an mehreren digitalen Liveführungen des Museums teilnehmen und die Teilnehmenden im Anschluss zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen befragen. Was war den Besuchenden aufgefallen, sowohl positiv als auch negativ? Was haben Sie aus den Führungen mitgenommen? Haben Sie spezielle Aspekte vermisst?

Blick in die Tandem-Tour mit dem HNF, die über eine Streaming Plattform ausgespielt wird

Insgesamt führte ich Interviews mit 19 Besuchenden des Formats, welche die Basis meiner Analyse bildeten. Zusätzlich stand Beate Schneider als Ansprechpartnerin des Museums zur Verfügung. In einem Experteninterview berichtete sie mir Weiteres zu den Hintergründen und auch Grenzen der Digitalisierung von Kulturangeboten.

Und was habe ich herausgefunden? Zunächst ein kleiner Disclaimer: Natürlich haben digitale Formate Grenzen. Insbesondere das Lernen mit allen Sinnen und das Wahrnehmen der Objekte und des Raums kann (zumindest aktuell) digital nicht ersetzt werden. Auch jemand, für den die soziale Erfahrung bei einem Besuch sehr wichtig ist, wird mit einer virtuellen Führung nicht unbedingt glücklich. Die gute Nachricht: Fast jede Person, die an den Führungen teilnahm, zeigte sich im Anschluss positiv überrascht und motiviert, in Zukunft noch einmal an solch einem digitalen Format teilzunehmen. Manche Gäste bewerteten den reinen Wissenserwerb für sich sogar als höher, da es weniger Ablenkungen vor dem Bildschirm gab, man durch die Kamera auch einmal hinter die Absperrungen schauen konnte und so „Mr. N“ mit all seinen Details noch einmal näherkam.

Vor allem mit dem Blick auf neue Technologien wie Augmented Reality kann man festhalten, dass die Möglichkeiten für Kultureinrichtungen stetig größer werden. Durch diese Technologien könnten Kritikpunkte der Gäste, wie beispielsweise die vorherbestimmte Kameraführung, in Zukunft gelöst werden. Gerade für Publikumsgruppen, die in Museen „Hineinschnuppern“ möchten oder deren Besuch mit einem erhöhten organisatorischen Aufwand verbunden wären, wie Schulklassen, stellen digitale Führungen schon heute durchaus eine Alternative dar.

Ich bin sehr dankbar für die Zusammenarbeit und die Hilfe, die ich im Rahmen meiner Arbeit hier erfahren habe. Meiner Einschätzung nach ist das Neanderthal Museum schon heute ein Beispiel für die gelungene Integration neuer Medien und der Offenheit gegenüber neuen Ideen und Konzepten. Ich persönlich bin sehr gespannt, wie sich dies in Zukunft noch weiter entwickeln wird und freue mich darauf, diese Entwicklung zu beobachten!

Beate Schneider//Franziska Kersting

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