Projektstart „Eiszeit digital erleben“

von Fiene Walker

Das Neanderthal Museum plant in Zusammenarbeit mit Museumsbesucherinnen und -besuchern und Nichtbesucherinnen und Nichtbesuchern und im Verbund mit dem Archäopark Vogelherd, dem Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren und der Professur für Museologie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg eine digitale Entdeckungsreise. Die Entwicklung der digitalen Anwendung mit dem Namen „Eiszeit digital erleben“ wird durch das Förderprogramm „NEUSTART.KULTUR“ mit 72 000 Euro gefördert und soll bis Ende 2022 für mobile Endgeräte nutzbar sein.

Für die Anwendung sind ein spannendes Narrativ (Storytelling), viele spielerische Elemente (Gamification) und die Vermittlung von Wissen sowie die Darstellung unseres eiszeitlichen Kulturerbes (Information on demand) wichtig. Das Alleinstellungsmerkmal des Projekts ist die Fokussierung auf die Endnutzerinnen und Endnutzer. Es geht also nicht darum, eine primär vermittelnde Anwendung zu entwickeln, sondern ein digitales Produkt von und für Besucherinnen und Besucher der beteiligten Museen. Um die aktive Einbindung dieser potenziellen Nutzerinnen und Nutzer sicherzustellen, sind innerhalb des Projekts mehrere Workshops und Anwendungstests geplant. Diese partizipative Projektstruktur erlaubt es, Wünsche und Bedürfnisse des Publikums kennenzulernen, Probleme möglichst früh zu erkennen und schließlich eine zielgruppeorientierte Erfahrung zu ermöglichen.

Ein Mädchen sitzt gemütlich in der Dauerausstellung und schaut interessiert auf ein Smartphone.
Digitales Erleben der Eiszeit

Die Idee zum Projekt ist 2021 im Ice Age Europe Network entstanden, das das Neanderthal Museum mit einigen der wichtigsten prähistorischen Fundorte in ganz Europa vernetzt. Ursprünglich war das Projekt als eine virtuelle Ausstellung mit digitalisierten Exponaten aus allen beteiligten Institutionen geplant. Von dieser Idee ist man schnell zugunsten einer Virtual Experience abgewichen, da nicht einfach ein analoges Format in den digitalen Raum gebracht, sondern die Stärken des Virtuellen genutzt werden sollen[1]. Dass dies möglich ist und Besucherinnen und Besucher digitale Angebote nicht als einen Ersatz, sondern als eine Ergänzung und Erweiterung des Museumsbesuchs verstehen, ist durch mehrere Studien belegt[2].

Fokus auf Nutzerinnen und Nutzer über Design Thinking

Ein Poster mit der Fragestellung "Wie können wir auf spielerische und attraktive Weise die Landschaft, Menschen und Tiere der Eiszeit zu einem virtuellen Erlebnis werden lassen?" ist mit vielen Post-its mit Ideen beklebt.
Die Challenge für den Design Thinking Workshop

Am 12. April wurde im Neanderthal Museum zusammen mit den Verbundpartnern, jeweils einer Besucherin und einem Besucher und einer Nichtbesucherin und einem Nichtbesucher ein eintägiger Design Thinking Workshop durchgeführt. Hinzu kamen ebenfalls Vertreter des Cologne Game Labs und des Forschungsprojekts EMPAMOS[3]. Bei dem Workshop kam so das Museumpublikum und das Noch-nicht-Publikum zusammen mit Personen aus den Bereichen Ausstellungsmanagement, Wissenschaft, Bildung und Vermittlung und Game Design, um gemeinsam einen Prototyp für eine attraktive und spielerische Eiszeitreise zu bauen.

Ziel war es, einen Prototyp für die digitale Eiszeitreise zu entwickeln, der auf die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer abzielt. Hierzu wurden zwei Besucher- und Nichtbesucherbefragungen mit vier Teams im und um das Museum durchgeführt. Durch den Erlebnisspielplatz und den nahegelegenen Wanderweg konnten nicht nur Museumsbesucherinnen und -besucher befragt werden, sondern auch Personen, die nicht in das Museum gehen wollten. Ausgehend von der Annahme, dass diese Nichtbesucherinnen und Nichtbesucher ein geringeres Interesse an digitalen Angeboten oder dem archäologischen Themenschwerpunkt der beteiligten Museen haben, eignen sie sich besonders gut als kritische Stimmen und können helfen, die Menge der befragten Personen diverser zu halten.

In einer ersten Befragung teilten die Museumsbesucherinnen und -besucher und Nichtbesucherinnen sowie Nichtbesucher ihre Vorstellung von einer mobilen Eiszeitreise mit. Hierbei variierte das Vorwissen individuell sehr stark. Auch konnten einige Stereotypen und Wissenslücken in Bezug auf die Eiszeit bei den Befragten festgestellt werden. Viele hatten beispielsweise keine Vorstellung davon, welche Teile Europas während der letzten Kaltzeit mit Eis bedeckt waren und wann welche Menschenformen dort heimisch waren.

Der Vergleich zwischen den Antworten der verschiedenen Altersgruppen zeigte wenig überraschend, dass vor allem Menschen, die auf 40 und älter geschätzt wurden, sich detaillierte Informationen zur letzten Eiszeit und der Flora und Fauna wünschten. Kinder und Jugendliche konnten dagegen meist sehr konkret ihre Vorstellungen äußern. Während sich einige Kinder wünschten, in der Anwendung etwa ein Mammut füttern oder reiten zu können, gaben vor allem die älteren Kinder und Jugendlichen an, dass sie eine möglichst realistische Simulation des Überlebens in der Eiszeit spannend fänden.

Nachdem die Antworten der ersten Befragung analysiert wurden, konnten daran angelehnt drei analoge Prototypen gebaut werden, die dann den Menschen im und um das Neanderthal Museum vorgestellt wurden. Mithilfe dieses letzten Feedbacks wurden die Prototypen bewertet und ein umfassendes Konzept formuliert. Geplant ist, ab Anfang Juli in die Entwicklung zu gehen und bis Ende des Jahres mindestens eine Testphase mit dem Museumspublikum und Nichtbesucherinnen und Nichtbesuchern als Testern durchzuführen.

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Autor: Rick Springer, Volontär Ausstellungsmanagement

Titelbild: ©Katin Hieke

Partner & Förderer:

[1] Eine Studie der Hochschule Heilbronn zur Rezeption von digitalen Formaten beim jungen Publikum betont dies, s. R. Henze, Junges Publikum ist nicht begeistert. Studie zur Rezeption digitaler Kulturformate (15.02.2021),  https://www.kulturmanagement.net/Themen/Studie-zur-Rezeption-digitaler-Kulturformate-Junges-Publikum-ist-nicht-begeistert,4263 (04.05.2022).

[2] S. Schwan, Digitale Ausstellungen aus Besuchersicht, in: H. Carius – G. Fackler, Exponat – Raum – Interaktion. Perspektiven für das Kuratieren digitaler Ausstellungen (Göttingen 2022) 193–200. Vgl. Volker Schönert, Museum analog und komplementär denken. Vortrag bei der Gründungsveranstaltung der Initiative Besucherforschung, s. https://www.dasa-dortmund.de/angebote-termine/angebote-fuer-fachbesucher/netzwerk-besucherforschung-tagung-2022 (04.05.2022).

[3] Das EMPAMOS-Forschungsprojekt der Technischen Hochschule Nürnberg dient der Analyse von Gesellschafts- und Brettspielen und der Identifikation von motivierenden Spielelementen, s. https://empamos.in.th-nuernberg.de/ (04.05.2022).

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