Am vergangenen Sonntag bin ich von einem zweiwöchigen Forschungsaufenthalt in Donostia/ San Sebastian, im spanischen Baskenland gelegen, zurückgekehrt. Dort habe ich Daten für meine Dissertation gesammelt, die im Rahmen des SFB 806 (http://www.sfb806.uni-koeln.de) erstellt wird. Diese beschäftigt sich mit den letzten Neanderthalern und den ersten modernen Menschen auf der Iberischen Halbinsel und umspannt einen Zeitraum zwischen ungefähr 42.000 Jahren bis 32.000 Jahren vor heute. Die Iberische Halbinsel nimmt im Zusammenhang mit dieser Frage, nämlich der des Übergangs vom Mittel- zum frühen Jungpaläolithikum, eine besondere Rolle ein.
Wissenschaftler waren und sind zum Teil immer noch der Meinung, dass dort sowie auf der Krim Halbinsel Neanderthaler länger als irgendwo sonst in Europa überlebten und dass außerdem die materiellen Hinterlassenschaften des Homo sapiens im Norden der Iberischen Halbinsel früher datieren als die selbigen südlich des Flusses Ebro. Die ersten materiellen Zeugnisse, die sicher dem Homo sapiens in Europa zugeschrieben werden können, werden unter dem Technokomplex „Aurignacien“ zusammengefasst. Dieser zeichnet sich durch spezielle Herstellungsweisen der Stein- und Knochenwerkzeuge aus und belegt erstmals in großer Zahl Kunst- und Schmuckgegenstände sowie Musikinstrumente (z.B. in einigen Höhlen der Schwäbischen Alb). Im Zuge meiner Doktorarbeit möchte ich herausfinden, ob und inwieweit sich die Lebensweise der letzten Neanderthaler von der der anatomisch modernen Menschen unterschied. Darüber hinaus möchte ich überprüfen, ob die Behauptung stimmt, dass der Homo sapiens im Süden der Iberischen Halbinsel erst einige Jahrtausende später siedelte als im Norden der Iberischen Halbinsel. Um dies herauszufinden, untersuche ich Steinwerkzeuge verschiedener Fundplätze und verschiedener archäologischer Technokomplexe mit Blick auf ihre Herstellungsweise und Funktion, welche sich im Laufe der Zeit geringfügig aber doch unterscheidbar verändert hat. Das Material, das ich mir in San Sebastian angeschaut habe, stammt von den Fundplätzen Labeko Koba und Ekain im spanischen Baskenland. Von Labeko Koba und Ekain habe ich die Steinartefakte des Châtelperronien analysiert. Dieser Technokomplex wird von den meisten Forschern als letzte materielle Hinterlassenschaft des Neanderthalers in Westeuropa interpretiert, was jedoch aufgrund der nur sehr wenigen anthropologischen Reste keineswegs endgültig geklärt ist. Als besonderes Charakteristikum gilt die sogenannte Châtelperronienspitze. Zum anderen habe ich mir eine bestimmte Kategorie der Steinwerkzeuge des sogenannten Proto-Aurignaciens der Fundstelle Labeko Koba angeschaut: die Lamellen und Klingen, bei welchen es sich um langschmale Grundformen handelt. Die Herstellung dieser Grundformen in großer Zahl und standardisierter Art und Weise unterscheidet sich von den Steinartefakten des Mittelpaläolithikums. Neben dem sogenannten Protoaurignacien (der ältesten Stufe des Aurignacien) gibt es in Labeko Koba auch Hinterlassenschaften des frühen Aurignaciens, welches auf das Protoaurignacien folgt. Diese Artefakte konnte ich mir aufgrund der sehr knapp bemessenen Zeit nicht anschauen und werde dies im Zug eines zweiten Forschungsaufenthaltes nachholen. Die Arbeitsbedingungen in San Sebastian sind fantastisch. Die archäologischen Funde verschiedener Zeitstufen aus dem Baskenland werden in einem vor einigen Jahren neu eingerichteten Depot gelagert, welches zugleich auch mehrere gut ausgestattete Arbeitsplätze auswärtigen Forschern zur Verfügung stellt. Die Funde sind vorbildlich inventarisiert und konserviert, so dass das Arbeiten eine sehr große Freude bereitete. Einen herzlichen Dank an Koro Mariezkurrena und Jesus Altuna sowie den Mitarbeitern des Depots, die mich herzlich aufgenommen und mir stets hilfsbereit zur Seite gestanden haben.
Viele Grüße
Yvonne Tafelmaier