Vor fast zwei Jahren habe ich mein Volontariat für Ausstellungsgestaltung im Neanderthal Museum begonnen und ich muss sagen, einen spannenderen Job kann ich mir kaum vorstellen!
Neben der Pflege der Dauerausstellung, der Neukonzipierung der Forscherboxen und so einigen allgemeinen Museumsaufgaben, ist meine eigentliche Aufgabe die Organisation und Durchführung von Sonderausstellungen.
Da dieser Prozess aber zuweilen mal ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen kann, habe ich in meiner Ausbildungszeit tatsächlich nur eine Ausstellung von Anfang bis Ende durchgeführt: die aktuelle Sonderausstellung „Schamanen – Jäger und Heiler Sibiriens“.
Von der Besichtigung des Depots in Mannheim und der Auswahl der Objekte über die Konzepterstellung, die Recherche der sibirischen Kulturen und das Texte verfassen bis hin zur Gestaltung des Raumes und der Vitrinen war es ein langer, aber sehr interessanter Weg.
Nachdem die Kooperation mit den Reiss-Engelhorn Museen (rem) und das Thema Schamanen Sibiriens feststand, sind wir (meine Chefin Frau Auffermann und ich) letztes Jahr nach Mannheim gereist und haben das Depot nach geeigneten Objekten durchforstet. Bald schon war klar, dass bei den riesigen Mengen an ethnografischen Objekten aus Sibirien eine Eingrenzung auf drei Völker sinnvoll ist: die Korjaken, Tschuktschen und Nanai.
Die grobe Idee für das Konzept war, den Lebensweg eines Schamanen von der Geburt bis zu seiner Berufung und der Durchführung schamanischer Rituale zu zeigen. Dafür wollten wir einen Schwerpunkt auf den Alltag der sibirischen Völker legen und darstellen, wie die Korjaken, Tschuktschen und Nanai in den Weiten Sibiriens lebten, welche Rohstoffe sie verwendeten, wie sie wohnten und jagten, was sie aßen etc. Der zweite Schwerpunkt sollte der Schamanismus sein und seine Bedeutung für die Völker: Was ist ein Schamane? Wie wurde man zum Schamanen? Was machte ein Schamane überhaupt so den ganzen Tag? Was für ein Glaubenssystem steht hinter diesem Konzept? etc.
Zum Schluss erschienen uns ein Rückblick in die Eiszeit, um die Verbindung zum Haus herzustellen, und ein Blick in den Neo-Schamanismus der heutigen Zeit eine sehr interessante Ergänzung.
Dafür musste ich mich natürlich in den Alltag der Korjaken, Tschuktschen und Nanai aus dem 19. Jahrhundert einlesen. Ich schmökerte in ethnografischer Literatur von Forschern, die Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts nach Sibirien gereist sind und bei den sibirischen Völkern gelebt und ihre Erlebnisse aufgeschrieben hatten. Außerdem durchforstete ich Schamanismus-Literatur, von den Theorien des Schamanismus in der eiszeitlichen Höhlenkunst (ein Thema, das mich bereits in meiner Bachelor-Arbeit beschäftigt hatte) über den traditionellen sibirischen Schamanismus bis hin zum heutigen Neo-Schamanismus in Westeuropa.
Nebenbei erstellte ich Listen über Listen über Listen…
– Nach welchen Themen sollen die Vitrinen gegliedert sein? Welche Objekte kommen in welche Vitrine?
– Wie sollen die Objekte einheitlich präsentiert werden, damit sie zur Geltung kommen? Brauchen wir kleine Podeste, bringen wir Objekte an den Vitrinenrückwänden an oder hängen wir welche von der Decke ab?
– Wie viele Vitrinen brauchen wir überhaupt? Wie viele haben wir, welche müssen ausgeliehen bzw. neu gebaut werden?
– Wo soll welche Vitrine stehen?
– Welche Bilder sollen die Vitrinen schmücken? Wie viele Banner müssen produziert werden, wie sollen sie gestaltet sein und wo sollen sie hängen?
– Wie viele Texte brauchen wir, wie lang sollen sie sein und wie groß die Texttäfelchen in den Vitrinen?
– Ist das Klima ausreichend feucht in unserem Sonderausstellungsraum? Müssen noch zusätzliche Maßnahmen getroffen werden (z.B. Luftbefeuchter beschaffen, Vitrinen von innen klimatisieren)?
– Wie wird das Licht am besten abgedunkelt, damit die Objekte nicht beschädigt werden?
– Wie viele Audiotexte brauchen wir, wer soll sie sprechen, und wo stellen wir die Audioboxen am besten hin?
– Welche Firmen soll die Aufträge zum Vitrinenbau und Transport der Vitrinen und Exponate erhalten?
Dies sind nur einige der vielen Fragen, die bei der Organisation so aufkommen. Natürlich traf ich die meisten Entscheidungen nicht selbst, sondern arbeitete eng mit meiner Chefin und mit der Restauratorin der rem in Mannheim zusammen, was viele Stunden Telefonate nötig machte. In minutiöser Kleinarbeit gingen wir die einzelnen Punkte durch. Die Restaurationsabteilung in Mannheim leistete ihrerseits ganze Arbeit, holte die Objekte aus dem Depot und bereitete sie mit viel Geduld und Liebe zum Detail wieder auf.
Auch die Zusammenarbeit mit der Haustechnik war entscheidend, denn sie kennt sich bestens mit den besonderen Raumgegebenheiten aus, was möglich ist und was nicht, und trägt das nötige Know-How zum Vitrinenaufbau, zur Beleuchtung, zum Sound und zu den Sicherheitsvorkehrungen bei.
Aber an der Realisierung einer solchen Ausstellung ist ja nicht nur das Ausstellungsmanagement und die Haustechnik beteiligt. Die Museumspädagogik leistet auch ganze Arbeit bei der Konzeption von Führungen, Workshops und einem vielfältigen Begleitprogramm (Familientag, Ferienprogramm, Kindergeburtstage etc.); die Marketing-Abteilung war schon vorweg zuständig für die Suche nach Sponsoren, die Flyerentwürfe und die Werbung auf den verschiedensten Social Media Kanälen; die Mediathek recherchierte Literatur und stellte Bildmaterial für die Ausstellung zur Verfügung; und natürlich muss das Shopmanagement repräsentative Produkte zum Verkauf auswählen und das Sortiment anpassen. Man sieht also, jede Abteilung ist auf seine Weise irgendwie am Gelingen der Ausstellung wichtig gewesen. Und wenn ein Puzzleteil gefehlt hätte, wäre das alles nicht so möglich gewesen.
Und nach monatelanger Planung ging es endlich los, wir hatten genau zwei Wochen, um die vorherige Ausstellung (Mumien – Reise in die Unsterblichkeit) abzubauen und die neue Ausstellung Schamanen aufzubauen. Das musste ruckzuck gehen und war oft sehr stressig. Aber mit einer durchorganisierten Planung, einem super Team und viel guter Laune machte es eigentlich auch ziemlich viel Spaß! Und wenn das Ergebnis eine tolle Ausstellung ist, dann sind wir alle zufrieden.
Natürlich darf der Pressetermin nicht vergessen werden. Vertreter lokaler Zeitungen kommen am Tag der Eröffnung vorbei und werden von den Direktoren des Neanderthal Museums und der Reiss-Engelhorn Museen durch die Ausstellung geführt. Man muss sich dem Blitzgewitter vor schönen Exponaten stellen und allerlei Fragen beantworten. Aber es ist trotzdem toll, wenn dann am nächsten Tag ein Artikel in der Zeitung erscheint, der eine Ausstellung bewirbt, bei der man mitgewirkt hat.
Nach der Eröffnung fällt die Anspannung erst einmal von einem ab und man ist ziemlich erschöpft. Aber die Arbeit ist noch lange nicht beendet, denn wir wollen die Ausstellung an andere Museen weiterverleihen. Dafür muss Akquise betrieben, Leihlisten vorbereitet und Flyer erstellt werden. Außerdem kommt ja im November (also in ein paar Monaten!!) schon die neue Ausstellung „Fleisch – Jäger, Fischer, Fallensteller in der Steinzeit“! Da ist die Planung ja auch schon im vollen Gange. Man wird also eigentlich nie fertig… aber trotzdem will man den Job nicht missen J
Danke an das gesamte Team des Neanderthal Museums für die tolle Zeit und die einzigartige Zusammenarbeit hier und ganz besonderen Dank an Frau Dr. Auffermann, die es mir ermöglichte, voll in meiner Arbeit aufzugehen und mich selbst zu verwirklichen.
Viviane Bolin