Projekt Paläolithikum im Rheinland – Sammler als ehrenamtliche Stützen der Archäologie

von Alina Sielaff

Am 5. Oktober findet der nächste Bestimmungstag im Neanderthal Museum statt. An diesem Tag habt ihr die Möglichkeit eure steinzeitlichen Funde von Forschern bestimmen zu lassen. Um jetzt schon einen kleinen Einblick zu bekommen, berichten wir euch vom aktuellen Projekt Paläolithikum im Rheinland, bei dem mehrere Tausend Funde eines Privatsammlers überprüft werden.

Das Projekt ist in der zweiten Phase: Überprüfung der Funde vor Ort, derzeit im Magazin des Rheinischen Landesmuseums Bonn (RLMB).
Um zu Beginn erst einmal die Vorgehensweise am Material selbst zu testen, bot sich eine kürzlich vom RLMB erworbene und noch nicht inventarisierte Privatsammlung an, die außer sehr vielen jüngeren Funden auch einige paläolithische Fundstellen enthält.

Eine der mit Steinartefakten prall gefüllten Fundkisten im Magazin des RLMB.

Ein kleiner Schock war allerdings der Umfang: es handelt sich um etwa 50.000 Funde, die in Kistenstapeln auf insgesamt vier Europaletten im Magazin abgelegt waren. All diese Funde hat der Sammler in etwa 40 Jahren kontinuierlicher Tätigkeit zusammengetragen, fein säuberlich beschriftet und nach Fundorten dokumentiert. Diese außergewöhnliche Sammlung ist der Anlass, hier einmal kurz die Bedeutung der Privatsammler für die prähistorische Archäologie hervorzuheben.

Einer der vielen heute noch ehrenamtlich tätigen Sammler bei seiner liebsten Beschäftigung.
© M.Baales/LWL

Nicht erst seit den Indiana Jones-Filmen ist für viele von uns die Archäologie eine Beschäftigung von wenigen hochspezialisierten und manchmal etwas weltfremden Wissenschaftlern, die zumeist im Auftrag staatlicher Organisationen an exotischen Fundorten auf der ganzen Welt auf ‚Schatzsuche‘ sind, auch wenn es sich nicht zwangsläufig immer um materiell wertvolle Schätze handelt.

Dabei tritt völlig in den Hintergrund, dass die europäische Geschichte der Archäologie vor der eigenen Haustür mit dem Sammeln von Kuriositäten überhaupt erst begonnen hat.
Es war nämlich ein französischer Zollbeamter, Jacques Boucher de Crèvecœr de Perthes, der in seiner offenbar reichlich bemessenen Freizeit um 1830 merkwürdig geformte Steine in den Schottern der Somme im nordfranzösischen Abbéville aufsammelte und vermutete, dass es sich wohl um vor langer Zeit vom Menschen bearbeitete Steinwerkzeuge handeln müsse. Als zusammen mit diesen Steinen auch noch Knochen von „vorsintflutlichen“ ausgestorbenen Tieren gefunden wurden, wurde ganz allmählich offenbar, vor wie langer Zeit das geschehen sein musste. So wurde ein sammelnder Zollbeamter zum Begründer der prähistorischen Archäologie.

Jacques Boucher de Crèvecœr de Perthes (1788-1868), Zolldirektor, Sammler und ‚Vater‘ der prähistorischen Archäologie.
© Wikipedia

Heutzutage hat sich die prähistorische Archäologie professionalisiert und ist als Studienfach an gar nicht so wenigen Universitäten zu erlernen. Aber immer noch, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, gehen Amateure (auf Deutsch: Liebhaber) mit aufmerksamem Blick auf den Boden über die Felder vor ihrer Haustür und machen täglich kleinere oder größere Funde, ganz so wie Boucher de Perthes vor nun fast 200 Jahren. Das Sammeln von Steinwerkzeugen von der Oberfläche ist generell erlaubt und wenn die Funde der Bodendenkmalpflege gemeldet werden, verbleiben sie auch meist im Besitz der Sammler.

Ein Faustkeil aus den Schottern der Somme mit eigenhändiger Beschriftung von de Perthes, den er an Edouard Lartet verschenkte.
© Wikipedia

Für die staatliche Bodendenkmalpflege sind diese Aktivitäten von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Zwar unternimmt sie selbst auch immer wieder Feldbegehungen zur Begutachtung von Flächen, die von Baumaßnahmen und potentieller Zerstörung bedroht sind, kann das aber in der Regel nur ein- oder maximal zweimal tun, bevor sie eine Entscheidung für immer treffen muss. Sammlungen von Amateuren, die in der Regel über viele Jahre immer wieder das gleiche Feld begangen haben, sind da allein aufgrund ihres Umfangs erheblich aussagekräftiger als die kleinen Serien, die die professionelle Bodendenkmalpflege bei einer oder zwei Begehungen eines Feldes finden kann. Die privaten Sammlungen können also wertvolle Hinweise liefern, in welchem Umfang wo mit welchen Funden zu rechnen ist – und das ganz umsonst. Voraussetzung ist eine minimale Dokumentation der Funde, die insbesondere den genauen Fundort und heutzutage im optimalen Fall die GPS-Koordinaten des einzelnen Funds umfassen sollte.

Daniel Schyle

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