„Mit ERASMUS+ ins Ausland? Du bist doch keine Studentin mehr!“ Aussagen dieser Art darf ich mir häufig anhören, wenn ich von meiner Mobilität im Museum MUSE erzähle. Und doch, es geht!
Als mir auf der Arbeit davon berichtet wurde, stand für mich sofort fest, dass ich nach Italien muss! Mein Auslandsjahr während der Schulzeit ist nun doch schon länger her, als es mir lieb wäre und so hatte ich die Gelegenheit, mein Italienisch und insbesondere das italienische Fachvokabular zu verbessern. Außerdem ist die Arbeit im Museum vergleichsweise neu für mich, weshalb ich in diesem Bereich noch mehr Erfahrungen sammeln wollte. Weshalb ich mich schließlich für das MUSE entschieden habe, ist neben der thematischen Nähe zum Neanderthal Museum seine UNICEF Zertifizierung für seine Kinder- und Jugendfreundlichkeit sowie der Auszeichnung von der Provinz Trient mit dem Label „Family in Trentino“ für seine Familienfreundlichkeit. So wurde alles in die Wege geleitet und das MUSE hat mich mit offenen Türen empfangen.
Es ist ein großes Haus und beschäftigt sich über sechs Stockwerke hinweg mit verschiedensten naturwissenschaftlichen Themen. Ganz oben befindet sich ein echter Gletscher und im Raum dahinter muss man aufpassen, nicht von einer Lawine erfasst zu werden. Ganz unten trifft man auf Dinosaurier, Lucy und Co. Dazwischen kann man durch das Tropenhaus gehen und kommt an zahlreichen von der Decke hängenden Tieren vorbei. In einem Science Center wird die Physik fassbar gemacht und auch unseren Neanderthaler kann man besuchen.
Mit Mann und Kind im Schlepptau ging es also nach Trient – eine Woche ERASMUS+ und eine Woche Urlaub. Im MUSE durfte ich eine Woche lang meine italienische Kollegin Alice Bassetti bei ihrer spannenden Arbeit begleiten. Sie ist für den Bereich der 0–5-Jährigen verantwortlich, eine Zielgruppe, mit der ich sonst eher weniger zu tun habe. Die 0–5-Jährigen haben im Museum einen eigenen abgetrennten Bereich, das Maxi Ooh!, der inklusive Workshop von Kindergartengruppen gebucht werden kann, aber auch von Museumsbesuchenden erkundet werden darf. Ich habe dort einen Workshop sowie eine interaktive Lesung begleiten dürfen und den Raum mit meinem Sohn gemeinsam erkundet. Bei der interaktiven Lesung wurde ein japanisches Straßentheater für die visuelle Untermalung der Geschichte genutzt. Begeistert hat mich dort zu sehen, wie die Jüngsten bereits Wissen auf eine altersgerechte Art und Weise vermittelt bekommen und so ihr Interesse für zukünftige Museumsbesuche geweckt wird. Weitere Führungen durch das Haus durfte ich auch begleiten und habe dabei nicht nur viel Inhaltliches gelernt, sondern auch die unterschiedlichen Arbeitsweisen sowie tolle pädagogische Mitarbeitende kennengelernt.
Da auf so vielen Stockwerken unglaublich viel zu entdecken ist, habe ich mir die Zeit genommen, auch alleine durch die Ausstellung zu gehen. Die restliche Zeit bin ich Alice nicht von der Seite gewichen und habe z. B. auch an Meetings zur räumlichen Umgestaltung des Maxi Ooh! mit dem hauseigenen Architekten teilgenommen. Was mich in der Ausstellung sehr beeindruckt hat, war der „Menschenstrom“ des MUSE. Die Schädelrepliken einzelner Funde hängen dort an der Wand über einem Board mit einer Landkarte und einem Zeitstrahl. Dreht man am Rädchen des Zeitstrahls, so werden die Schädel von zu diesem Zeitpunkt lebenden Individuen angestrahlt sowie ihr Verbreitungsgebiet auf der Karte eingefärbt. Deutlich wird hierdurch u. a., dass manche Gattungen und Arten zur selben Zeit und am selben Ort gelebt haben.
Die Familienfreundlichkeit des MUSE ist mir auch direkt positiv aufgefallen: Es gibt mehrere Stillplätze im Haus verteilt, Kinderwagen zu leihen, Parkplätze für Hochschwangere u. v. m. Es ist nicht lange her, da hätte ich für einen halbwegs ruhigen Ort zum Stillen in der Öffentlichkeit vieles gegeben. Überrascht war ich von dem großen Außengelände des MUSE inklusive Gemüsegarten und vom Angebot der Museumspädagogik auch in die Schulen auszurücken oder auch mal einen gemeinsamen Ausflug in die Berge in den Schnee anzubieten. Woran ich mich erst gewöhnen musste, waren Alices Arbeitszeiten. Sie beginnt normalerweise gegen 10.00 Uhr, ich gegen 07.30 Uhr. So hatte ich am Morgen noch genug Zeit mit meiner Familie in Ruhe zu frühstücken und schon mal eine Runde auf den Spielplatz um die Ecke zu gehen. Nach der Arbeit, an den Wochenenden und während meines Urlaubs konnte ich dann „la dolce vita“ genießen und habe es mir mit Aperitif, Eis, Brioche, Pasta und Pizza gut gehen lassen. Die Landschaft in der Region ist allerdings auch nicht ganz ohne! Wunderschöne Wanderwege wurden mit Trage oder Kinderwagen erkundet und der Gardasee mit dem Boot überquert.
Vielen Dank an alle Beteiligten für die Organisation und die Finanzierung und ein riesen großes Dankeschön ans MUSE und Alice Bassetti, durch die mein Aufenthalt einfach unvergesslich geworden ist. Die geknüpften Kontakte bleiben bestehen und ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen – vielleicht ja digital bei einer gemeinsamen Führung durch unsere beiden Häuser.
Anna Yousefi-Kolender (Volontärin Bildung & Vermittlung im Neanderthal Museum)