ERASMUS+: Eine EIS.ZEIT.REISE. nach Grönland (English version below)

von Louis Vosse

Majestätische Gletscher, sich im Ozean spiegelnde Eisberge, eine reiche Tierwelt und unendliche Weiten. Ein einzigartiges Gefühl der Freiheit umgab unsere Ausstellungsleiterin Melanie Wunsch und Forscher Rick Springer, als sie zur Vorbereitung unserer nächsten Sonderausstellung EIS.ZEIT.REISE GRÖNLAND in dieses außergewöhnliche Land aufgebrochen sind. Über ihre Reise berichtet uns Melanie Wunsch in diesem Blogbeitrag.

In Gesprächen mit Experten in den Partnerinstitutionen so viele Informationen wie möglich über die Archäologie und Geschichte Grönlands zu erhalten – das war das erklärte Ziel unserer Reise im Rahmen des ERASMUS+ Projektes des Neanderthal Museum. Darüber hinaus wollten wir in der zwei Wochen dauernden Reise wertvolle Eindrücke über das moderne Leben in Grönland sammeln. 

Auf unserer persönlichen Eiszeitreise machten wir aber zunächst einen Stopp im nicht ganz so fernen Dänemark. Im Nationalmuseum in Kopenhagen (Nationalmuseet København) trafen wir Prof. Bjarne Grønnow, der uns ausgiebig über seine Forschungen zur arktischen Archäologie und zur Besiedlungsgeschichte Grönlands berichtet hat. Wir durften uns die Ausstellung anschauen und haben als Überraschungsgast den grönländischen Künstler Konrad Nuka Godtfredsen in seinem Atelier im Nationalmuseum getroffen. Seine Graphic Novel Qanga bildet den Kern unserer kommenden Sonderausstellung EIS.ZEIT.REISE. GRÖNLAND. Sie besteht aus vier bildgewaltigen Bänden, die uns tief in die Geschichte dieses beeindruckenden Landes eintauchen lassen.  

Melanie Wunsch im Gespräch mit Nuka Godtfredsen im Nationalmuseum Kopenhagen
Melanie Wunsch im Gespräch mit Konrad Nuka Godtfredsen im Nationalmuseum Kopenhagen

Das Nationalmuseum in Kopenhagen ist ein großes, staatliches Museum mit einer umfangreichen und traditionellen Sammlung von archäologischen und ethnografischen Funden. Die Ausstellung ist in unterschiedliche Abteilungen gegliedert, die wiederum – anders als im Neanderthal Museum- chronologisch aufgebaut sind. Es sind ausschließlich originale Funde aus der eigenen Sammlung ausgestellt. Im Nationalmuseum Kopenhagen durfte ich einen Narwal-Stoßzahn berühren und ein ausgestopftes Walross streicheln. Das war eine besondere Erfahrung. Die Serviceleistungen, das Restaurant und die modernen Sonderausstellungen im Nationalmuseum Kopenhagen sind beeindruckend und haben Vorbildfunktion für zukünftige Planungen im Neanderthal Museum.

Nach dem Besuch in Dänemark ging es weiter nach Nuuk, der Hauptstadt von Grönland. Dort haben wir Grönlands Nationalmuseum und Archiv (Nunatta Katersugaasivia Allagaateqarfialu) besucht. In Nuuk waren wir Gast von Frederik Fuuja Larsen, dem Museumsleiter des Grönländischen Nationalmuseums. Er hat uns die Sammlung grönländischer Funde aus 4500 Jahren gezeigt und spannende Einblicke in seine Arbeit gegeben. Das Nationalmuseum in Nuuk bietet eine umfangreiche Sammlung aus der gesamten Geschichte Grönlands. Das Team ist klein und nicht dauerhaft in Nuuk. Den Winter verbringen einige Mitarbeitende in Dänemark. Die Forschung nimmt einen größeren Teil in der Arbeit der Kuratoren ein als bei uns.

Unser Maskottchen Tinka durfte beim Besuch in Grönland natürlich nicht fehlen

Die entspannte Atmosphäre im Team des Nationalmuseums in Nuuk, der ausgeglichene Anteil zwischen Arbeit und Freizeit sind uns sehr positiv aufgefallen und ein Vorbild für unsere Arbeitskultur und Life-Work-Balance. Sowieso war die Entspanntheit der Dänen und Grönländer beeindruckend. Sowohl in den Institutionen, als auch im Alltag, ist der Umgang mit anderen Menschen freundlicher und geduldiger. Wir sind mit zwei Kindern gereist und wurden überall sehr offen, neugierig und warmherzig empfangen. 

Melanie Wunsch, ihre Tochter Matilda und Tinka vor dem Nationalmuseum Nuuk

In Grönland haben wir eine Bootstour durch die Fjorde Westgrönlands gemacht, verlassene Siedlungen und eingefrorene Wasserfälle gesehen und ein traditionelles Dorf mit nur 46 Einwohnern besucht. Bei unserer Ankunft badeten Kinder bei Minusgraden im Ozean. Wir haben Menschen beim Eisfischen beobachtet und eine unglaublich schöne und unberührte Natur genießen dürfen. Diese Erlebnisse werden wir niemals vergessen.

Genauso lange wird uns sicherlich auch einiges aus dem für uns ungewohnten und überraschenden grönländischen Alltag im Kopf bleiben. Dazu gehören zum Beispiel die Öffnungszeiten von Geschäften und Kultureinrichtungen in Nuuk, die erst mittags um 13 Uhr öffnen und bereits um 17 Uhr wieder schließen. Manchmal öffneten Museen gar nicht, obwohl offiziell Besuchszeit war. Es dauerte zwei Tage, um zu verstehen, wie man in Nuuk Bus fährt. Daran sind nicht nur unsere fehlenden Kenntnisse der grönländischen Sprache schuld, die im Übrigen sehr lustig klingt. Vielmehr sind die Haltestellen nicht immer deutlich gekennzeichnet, Fahrpläne gibt es nur online und die Busrouten erschließen sich auch nicht intuitiv. Umso intuitiver wird mit einer laufenden Nase umgegangen – zu der es bei den kühlen Temperaturen schon mal öfters kommen kann. In der Öffentlichkeit seine Nase mit einem Taschentuch zu putzen, ist nämlich nicht üblich. Besser hochziehen, rausschniefen oder einfach laufen lassen. Letzteres, also einfach laufen lassen, gilt allerdings nicht beim Thema Alkohol: An den Osterfeiertagen gibt es ein strenges Verkaufsverbot in den Supermärkten.

Busfahren ist in Grönland ein Abenteuer

Bei allen den manchmal gewöhnungsbedürftigen, manchmal lustigen Unterschieden im Alltag, nehmen wir aber auch viele Erfahrungen mit, die zum Nachdenken anregen. Wir haben während der Reise gelernt, dass Kolonialismus zu Europas Geschichte gehört und in Dänemark und Grönland ein sensibles Thema ist. Vieles muss noch aufgearbeitet werden. In Nuuk das Alltagsleben der Grönländer zu teilen, hat wertvolle Eindrücke hinterlassen, die man in Büchern nie finden würde. Vorstellungen (und Vorurteile) vom Leben in Grönland, die wir aus Unwissenheit vor der Reise hatten, haben sich vollkommen verändert. Wir haben ein besseres Verständnis für die Geschichte, die heutige- oft auch problematische- Lebenssituation und die Zukunftswünsche der Grönländer bekommen. Bei der nächsten Reise würden wir uns wünschen, noch mehr Zeit mit den Partnern und in den Ländern verbringen zu können. Der Austausch mit Partnern in Europa ist für den Zusammenhalt und die Identität der Europäer von enormer Bedeutung. Dauerhafte Kooperationen können sich viel besser etablieren, wenn persönliche Kontakte, die auf gegenseitigem Vertrauen beruhen, die Grundlage sind.

 

Melanie Wunsch (Ausstellungsleiterin Neanderthal Museum)

ERASMUS+: An ICE.AGE.JOURNEY. to Greenland

Majestic glaciers, icebergs reflected in the ocean, abundant wildlife and endless expanses. A unique feeling of freedom surrounded our head of exhibitions Melanie Wunsch and researcher Rick Springer when they set off for this extraordinary country to prepare our next special exhibition EIS.ZEIT.REISE GRÖNLAND (ICE.AGE.JOURNEY. GREENLAND). Melanie Wunsch tells us about her journey in this blog post.

To get as much information as possible about the archaeology and history of Greenland in talks with experts in the partner institutions – that was the declared aim of our trip as part of the ERASMUS+ project of the Neanderthal Museum. In addition, we wanted to gather valuable impressions about modern life in Greenland during the two-week trip.

On our personal Ice Age journey, however, we first made a stop in not-so-distant Denmark. In the National Museum in Copenhagen (Nationalmuseet København) we met Prof. Bjarne Grønnow, who told us extensively about his research on Arctic archaeology and the history of Greenland’s settlement. We were allowed to look at the exhibition and met the Greenlandic artist Konrad Nuka Godtfredsen in his studio at the National Museum as a surprise guest. His graphic novel Qanga forms the core of our upcoming special exhibition EIS.ZEIT.REISE. GREENLAND. It consists of four visually powerful volumes that take us deep into the history of this impressive country.

The National Museum in Copenhagen is a large state museum with an extensive and traditional collection of archaeological and ethnographic finds. The exhibition is divided into different sections, which in turn – unlike in the Neanderthal Museum – are arranged chronologically. Only original finds from the museum’s own collection are on display. In the National Museum in Copenhagen, I was allowed to touch a narwhal tusk and stroke a stuffed walrus. That was a special experience. The services, the restaurant and the modern special exhibitions at the National Museum Copenhagen are impressive and serve as a model for future plans at the Neanderthal Museum.

After the visit to Denmark, we went on to Nuuk, the capital of Greenland. There we visited Greenland’s National Museum and Archive (Nunatta Katersugaasivia Allagaateqarfialu). In Nuuk, we were the guests of Frederik Fuuja Larsen, the museum director of the Greenland National Museum. He showed us the collection of Greenlandic finds dating back 4500 years and gave us exciting insights into his work. The National Museum in Nuuk offers an extensive collection from the entire history of Greenland. The team is small and not permanently in Nuuk. Some of the staff spend the winter in Denmark. Research takes up a larger part of the curators’ work than it does here.

The relaxed atmosphere in the team at the National Museum in Nuuk, the balanced proportion between work and leisure time struck us very positively and set an example for our work culture and life-work balance. Anyway, the relaxedness of the Danes and Greenlanders was impressive. Both in institutions and in everyday life, people are more friendly and patient. We travelled with two children and were received very openly, curiously and warmly everywhere.

In Greenland, we took a boat trip through the fjords of West Greenland, saw abandoned settlements and frozen waterfalls, and visited a traditional village with only 46 inhabitants. When we arrived, children were bathing in the ocean in sub-zero temperatures. We watched people ice fishing and enjoyed incredibly beautiful and untouched nature. We will never forget these experiences.

Just as long, we will certainly remember some of the unfamiliar and surprising everyday life in Greenland. These include, for example, the opening hours of shops and cultural institutions in Nuuk, which only open at 1 pm and close again at 5 pm. Sometimes museums didn’t open at all, even though it was officially visiting time. It took two days to understand how to take a bus in Nuuk. This is not only due to our lack of knowledge of the Greenlandic language, which sounds very funny by the way. The bus stops are not always clearly marked, timetables are only available online and the bus routes are not intuitive either. This makes it all the more intuitive to deal with a runny nose – which can happen quite often in the cool temperatures. It is not customary to blow your nose with a handkerchief in public. It’s better to pull it up, sniff it out or just let it run. The latter, i.e. just let it run, does not apply to alcohol: there is a strict sales ban in supermarkets during the Easter holidays.

Despite all the differences in everyday life, which sometimes take some getting used to and are sometimes funny, we also take away many thought-provoking experiences. We learned during the trip that colonialism is part of Europe’s history and a sensitive topic in Denmark and Greenland. Many things still need to be dealt with. Sharing the everyday life of Greenlanders in Nuuk left valuable impressions that you would never find in books. Ideas (and prejudices) about life in Greenland that we had out of ignorance before the trip have completely changed. We gained a better understanding of the history, the current – often problematic – living situation and the future aspirations of the Greenlanders. For the next trip, we would like to spend even more time with the partners and in the countries. The exchange with partners in Europe is of enormous importance for the cohesion and identity of Europeans. Lasting cooperation can be established much better if personal contacts based on mutual trust are the foundation.

Melanie Wunsch (Head of Exhibitions, Public Relations Neanderthal Museum)

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