European Museum of the Year 2024: Die Award-Verleihung

von Louis Vosse

Ich hatte die Ehre, das Neanderthal Museum als eines der für den EMYA 2024 nominierten Museen bei der Konferenz zum Award in Portimao, Portugal zu vertreten.  

Das European Museum Forum vergibt den Preis in einem aufwändigen Jury-Prozess, der offene und geheime vor Ort-Besuche bei allen Bewerbern umfasst. Ausschlaggebend ist (Zitat): 

Der EMYA geht an ein Museum, das einen tiefgreifenden Beitrag zu unserem Verständnis der Welt sowie zur Entwicklung neuer Paradigmen und professioneller Standards in Museen leistet. In einer unverwechselbaren Gesamtatmosphäre zeigt der Preisträger kreative und phantasievolle Ansätze in der Wissensproduktion, der Interpretation, der Präsentation und der sozialen Verantwortung – alles auf der transparenten Basis von Grundwerten wie Demokratie, Menschenrechte und interkultureller Dialog, einer Verpflichtung zur Nachhaltigkeit, einer Praxis der Inklusion und der Beteiligung der Gemeinschaft sowie der Anerkennung von Konflikten und dem Mut, sich ihnen zu stellen.

WOW! (Klar, das haben wir eigentlich alles erfüllt…) 

Nominiert waren 50 Museen aus 24 europäischen Ländern. Hier geht es zu den Bewerbungsvideos.

Jedes dieser Museen präsentierte sich auf der Tagung – eine großartige Gelegenheit also, um Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa kennen zu lernen und auch Einblicke in die neuesten Museumskonzepte zu erhalten. 


Meine persönlichen Favoriten, die leider keinen Award gewonnen haben, waren das Groote Museum in Amsterdam, das Wrack Museum in Stockholm und die Burrell Collection in Glasgow.
 

Das Groote Museum präsentiert die naturkundliche Sammlung des Artis Zoo in Amsterdam. Es bezeichnet sich als „museum of big questions“ und will dazu anregen, Fragen zu stellen, Kreativität und Austausch zu fördern und vor allem vermitteln, dass alles auf unserem Planeten zusammenhängt. Die neue Dauerausstellung ist modern und transparent gestaltet. Besonders ist das vielfältige, dialogische und kreative Vermittlungsangebot. 

Ich wusste bislang noch nicht, dass aufgrund der besonders günstigen Bedingungen (geringe Strömungen, Salzgehalt) in keinem anderen Meer so viele Wracks eingebettet sind wie auf dem Grund der Ostsee. Dem ist in Stockholm das Wrackmuseum Vrak gewidmet. Es präsentiert rein multimedial maritime Archäologie. Die Wracks und auch einzelne Objekte sind nicht geborgen, sondern werden via Technologie immersiv zugänglich gemacht. Aufgrund der schieren Menge an Schiffswracks ist die Öffentlichkeit aufgefordert, Funde und ihre Geschichten zu teilen, diese werden via digital storytelling zugänglich gemacht. 

Die Burrell Collection in Glasgow hat den immersiv-Trend der Kunstausstellungen auf kluge Weise aufgegriffen und umgesetzt. Sie nutzen digitales in einer klassischen Kunstsammlung, um diese zu erklären und zugänglicher zu gestalten und neue Zielgruppen zu erreichen. Dabei setzen sie z.B. auf intuitive immersive Angebote und auch auf große Screens, die Details der Kunstwerke hervorheben. Dieser neue Ansatz hat sich als ungemein erfolgreich erwiesen. 


Beeindruckend war die Präsentation von Taina Pieski, der Direktorin von Siida, dem Sami Museum in Finnland (
https://siida.fi/en/). Sie waren gleich meine Favoritinnen für den Award. Ihr Neubau wurde ermöglicht, da der finnische Staat die Sami-Objekte aus seinem Nationalmuseum an die Sami zurückgeben wollte. In ihrem Museum erzählen sie als Sami die Geschichte der Sami. Ihr Bewerbungsvideo ist sehr emotional. Und als Taina den Satz „Repatriation is the beginning of Revitalization” aussprach, war mir klar, dass ein Award an den Polarkreis geht. Dekolonisierung ist derzeit das Thema der Museumsszene. Und dann noch eine Reptriation innerhalb eines europäischen Landes. Sie haben den Award tief gerührt in Empfang genommen und ich habe mich riesig für die beiden Kolleginnen gefreut. 

Preise und special commendations gingen an Häuser, die entweder wie das Sami Museum unter das Thema Dekolonisierung fallen oder besonders partizipativ arbeitende Museen, die tief in die regionale Gesellschaft wirken („with, by and for communities“). Wie ein Museum Inhalte vermittelt, wie es Medien einsetzt und wie die Ausstellung gestaltet ist, wird dabei weniger gewichtet. Hier müssen Wissenschaftsmuseen wie das unsere noch Wege finden, partizipativer zu arbeiten. Grundsätzlich sehen wir uns ja eher als Bewahrer des Wissens, die dieses eingleisig vermitteln. 


In jedem Fall lege ich die
Nominiertenliste jeder und jedem ans Herz. Ein wertvolles Tool für die Reiseplanung. 😉
 

Autorin: Dr. Bärbel Auffermann (Direktorin Neanderthal Museum)

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