Seit März 1995 durfte ich die Planungsgruppe für das neue NM unterstützen. Das waren spannende anderthalb Jahre bis zur Eröffnung im Oktober 1996! Ich habe es als Riesenchance gesehen, meine eigene Begeisterung für die Archäologie in das Ausstellungskonzept einfließen zu lassen. Wir wollten damals ein neuartiges Museumserlebnis schaffen, da waren wir uns alle einig, weg von langweiligen Vitrinen, hin zu Medieneinsatz und Erzählungen, die die Objekte in einen Kontext einbinden. Und das ist uns damals schon gut gelungen. Die Firma für die Ausstellungsgestaltung, Créamuse aus Straßburg, hatte bereits Erfahrungen mit multimedialen Erlebnisausstellungen. Der Zeitplan war sportlich, aber mit viel Engagement und Nachtschichten schafften wir es, zur Eröffnung am 10.10.1996 eine fertige Dauerausstellung zu übergeben. Der Eröffnungstag war aufregend. Zahlreiche Journalisten kamen zur Berichterstattung und welch eine Ehre, dass sowohl Bundespräsident Herzog als auch Ministerpräsident Rau anwesend waren.
Meine Hauptaufgabe war in der Folge das Ausstellungsmanagement und wir haben bald mit den Planungen für die ersten Sonderausstellungen begonnen. Bis heute haben wir 55 Sonderausstellungen gezeigt. Als wir für die erste Sonderausstellung „Ötzi“ in den Pressetexten die lebensechte Rekonstruktion des Mannes aus dem Eis ankündigten, tat uns das Südtiroler Landesmuseum den Gefallen, eine einstweilige Verfügung gegen uns zu erwirken. Prompt war diese kleine Ausstellung in aller Munde und die Menschen standen in langen Schlangen an, um Ötzi zu sehen. Im Jahr 2007, bei der Sonderausstellung „100.000 Jahre Sex“, beschwerte sich Straßen NRW über freizügige Darstellungen auf der antiken Vase auf unserem Plakat – ein gefundenes Fressen für die Medien, die über „Verkehrsprobleme“ schrieben…
Wir sind als Stiftung organisiert und tragen uns zum größten Teil durch eigene Erlöse. Das ist für ein deutsches Museum außergewöhnlich. Aus diesem Grund denken wir ökonomischer als sonst im Kulturbereich üblich und wir haben bald damit begonnen, uns neue Geschäftsfelder zu erschließen. So vermarkten und vermieten wir eigene Sonderausstellungen in der Folge als Wanderausstellungen an andere Museen.
Die Eigenfinanzierung bedingt, dass wir in allen Abteilungen (Ausstellung, Bildung, Marketing, Shop oder Service) besonders besucherorientiert und professionell sind.
Dass die Dauerausstellung heute noch so modern wirkt, hängt sicher mit ihren regelmäßigen Updates zusammen, die dank Unterstützung durch unsere Hauptförderer möglich waren. Wir haben dabei stets nur bestimmte Bereiche im laufenden Betrieb aktualisiert und überarbeitet. Nach 10 Jahren, 2006, konnten wir u.a. die gesamte Graphik erneuern und damals zog das frische Grün ins Haus ein. 2006 war gleichzeitig das Jubiläumsjahr 150 Jahre nach der Entdeckung des Neanderthalers und wir hatten eine lebensechte Rekonstruktion des Fundes aus der Feldhofer Grotte bei den Bildhauern Adrie uns Alfons Kennis in Auftrag gegeben. Die Zwillingsbrüder Kennis aus Arnheim hatten sich mir kurz nach der Museumseröffnung als Illustratoren vorgestellt, die vor allem eiszeitlicher Tiere und Menschen malen. Bei unserem ersten Treffen im Februar 1999 präsentierten sie unter anderem eine lebensechte Büste eines Neanderthalers, die sie nur deshalb rekonstruiert hatten, um sie als Modell für ihre Bilder zu nutzen. Auf meine Frage, was sie anschließend damit machten, erklärten sie achselzuckend „wegwerfen“! Damit waren eigentlich die Kennisbrüder als DIE Bildhauer für ausdrucksstarke, lebensechte Rekonstruktionen von Urmenschen geboren. „Mr. N“ ist unser Sympathieträger, wichtiges Exponat und Key Visual.
2016 nutzten wir den 20. Museumsgeburtstag für eine weitere Überarbeitung. Zentrales Element ist seitdem der große Stammbusch zur Humanevolution, eine raumgreifende Holzkonstruktion, auf der sechs weitere Hominine der Kennisbrüder stehen, darunter so berühmte Funde wie “Lucy”. Diese Inszenierung soll verdeutlichen, dass die Evolution des Menschen kein zielgerichteter Prozess ist, sondern Ergebnis von Anpassung und Zufall.
Die Vermittlung von Menschheitsgeschichte und Humanevolution ist unsere zentrale Aufgabe. Dabei macht es uns Spaß, auch mit niedrigschwelligen Angeboten wie Erlebnisführungen, Geburtstagsprogrammen, Kindernächten und Doggy Days für dieses Thema zu begeistern. Vor der Pandemie waren wir stolz, dass jährlich über 3000 Gruppen unsere Bildungs- und Eventprogramme gebucht haben. Und jetzt ist es schön zu sehen, dass wir nicht vergessen wurden, dass Besucherinnen und Besucher und auch die Schulklassen wieder ins Museum kommen.
„Neanderthal Museum“ hat sich mittlerweile als Marke etabliert und der Kreis Mettmann baut die touristische Dachmarke neanderland aus und stärkt das Tal durch die Maßnahmen im Rahmen des Masterplans. Wer das Tal von früher kennt, reibt sich heute erstaunt die Augen, wenn er die schicke Brücke und den riesigen Steinzeitspielplatz sieht. Vor 25 Jahren gab es dort viel Gestrüpp, eine Wippe und eine Schaukel.
An der Fundstelle gab es vor 25 Jahren nur einen ehemaligen Schrottplatz und baufällige Schuppen. Nach den Ausgrabungen und der Wiederentdeckung der Höhlensedimente wurde die Fundstelle als Ort der Erinnerung gestaltet und öffentlich zugänglich gemacht. Damit die Besucher diesen Ort besser verstehen können, bauen wir dort in den nächsten Monaten den Turm Höhlenblick. Die Inszenierung im Turm wird die Talgeschichte und die Umwelt im eiszeitlichen Neandertal vermitteln.
Sehr viel haben wir erreicht in den vergangenen 25 Jahren, dank eines überdurchschnittlichen Engagements Aller im Museumsteam, dank einer großartigen Unterstützung durch unsere Zustifter und Förderer und eines guten Rückhalts aus der Politik. Es gibt nur wenige Museen in Deutschland, denen es gelingt, sich überwiegend selbst zu finanzieren. Darauf sind wir sehr stolz und das werden wir zum 25. Jubiläum ausgiebig feiern! Dann lüften wir auch wieder neue Highlights. Ab dem 9. Oktober können unsere Besucherinnen und Besucher den neuen Mr. N im Scheinwerferlicht sehen, die Rekonstruktion des Wollhaarmammuts Tinka erleben und an der neun Meter langen Klimawand den Wandel von Flora und Fauna in Kalt- und Warmzeiten bestaunen.
Dr. Bärbel Auffermann